In der Ausgabe der Mitteldeutschen Zeitung von heute (02.04.2020) findet sich ein Artikel zum Thema häusliche Gewalt in den Zeiten der COVID-19 Pandemie. Die Vorsitzende des Landesfrauenrates Sachsen-Anhalt e.V., Eva von Angern, bezieht darin klar Stellung.

VON BÄRBEL BÖTTCHER
Mitteldeutsche Zeitung, 02.04.2020


Die Botschaft, die Eva von Angern aussendet, ist deutlich: Frauen, die häusliche Gewalt erleben und Hilfe brauchen, können auch während der Corona-Pandemie die bekannten Notrufnummern wählen. „Es wird alles getan, um ihnen zu helfen“, unterstreicht die Vorsitzende das Landesfrauenrates. Auch wenn die Bedingungen derzeit erschwert sind - alle 19 Frauenhäuser haben geöffnet. In einigen besteht allerdings ein Aufnahmestopp.

Eva von Angern begrüßt, dass die Mitarbeiterinnen von Frauen- oder Kinderschutzstellen seit vergangener Woche für ihren eigenen Nachwuchs die Notbetreuung nutzen können. Zudem habe das Land den Mindestpersonalschlüssel, der eingehalten werden muss, um Geld zu erhalten, außer Kraft gesetzt. Wichtig sei, dass das Hilfsangebot bestehen bleibe.

Mehr Plätze nötig
Dennoch haben die Helfenden Fragen, auf die sie bisher keine befriedigenden Antworten erhalten haben: Was, wenn eine Frau mit den entsprechenden Erkältungssymptomen um Aufnahme ersucht? Wo können die Schutzbedürftigen hin, bis ein Corona-Testergebnis feststeht? In den Gemeinschaftsunterkünften können sie nicht isoliert werden. Und was passiert, wenn ein Test positiv ausfällt? Justizministerium beziehungsweise Landesverwaltungsamt hätten dazu bisher keine Empfehlungen gegeben, sagt von Angern. Immerhin werde derzeit für den Fall, dass es positive Testungen gibt, gemeinsam mit dem Justizministerium versucht, Quarantänewohnungen für Betroffene zu generieren.

Schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie waren die Frauenhäuser voll. Experten sprechen davon, dass deutschlandweit 14.000 entsprechende Plätze fehlen. Aus diesem Grund hatte die Stadt Magdeburg schon vor längerer Zeit Frauenschutzwohnungen angemietet. Angesichts der Corona-Erfahrungen etwa in China, die nahelegen, dass jetzt ein noch stärkerer Anstieg häuslicher Gewalt und damit des Bedarfs zu erwarten ist, hofft von Angern, dass dieses Beispiel Schule macht. Zugleich setzt sie darauf, dass das Land dafür die Kosten trägt: „Es darf nicht sein, dass Kommunen, die dafür kein Geld haben, hinten runterfallen.“

Erschwert wird die Arbeit in Häusern, in denen Frauen mit Migrationshintergrund leben, zusätzlich dadurch, dass Dolmetscher fehlen. Diese Arbeit sei in der Vergangenheit meist von Freiwilligen geleistet worden, sagt von Angern. Die stünden aber wegen des Kontaktverbots nicht mehr zur Verfügung. Sprachkundige müssten nun teuer eingekauft werden. „Dafür ist aber einfach kein Geld da.“

Ein großer Teil der Arbeit der Frauenhäuser besteht in der ambulanten Beratung von Frauen. Da auf beiden Seiten Angst besteht, sich mit dem Virus zu infizieren, verzichten viele der Einrichtungen derzeit auf persönliche Kontakte. Es läuft so gut wie alles über das Telefon beziehungsweise über den Mail-Verkehr. Wie kann
dieses erhöhte Aufkommen an Anfragen bewältigt werden? Gegenstand von Überlegungen sei es, Professionen, die gerade freie Kapazitäten haben, in die Arbeit einzubinden, sagt von Angern. Andererseits erfordere die Beratungstätigkeit schon eine profunde Ausbildung. Sprich: Eine Lösung ist noch nicht gefunden.

Vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation appelliert Eva von Angern zugleich an Nachbarn genauer hinzuschauen, was im Umfeldpassiert. Sie appelliert an die Polizei, gegebenenfalls restriktiver vorzugehen, wenn sie von häuslicher Gewalt erfährt. Und sie appelliert noch einmal an die Betroffenen, nicht zu zögern, eine
Notrufnummer zu wählen.

Lehren für die Zukunft?
Sie hofft zudem, dass im Nachtragshaushalt des Landes Mittel bewilligt werden, um diese Notrufnummern etwa durch Anzeigen bekannter
zu machen. Außerdem würde sie es begrüßen, wenn ausreichen Mittel für die Online-Beratung der Vereine zur Verfügung gestellt würden.

Eva von Angern blickt aber auch in die Zukunft. In der Krise zeige sich, wie wichtig die Arbeit ist, die die Frauen leisten. Aber sie müssten jedes Jahr bangen, ob benötigte Mittel von Land und den Kommunen auch fließen. „Es wäre ihnen geholfen, wenn sie künftig eine langfristige Finanzierungssicherheit hätten.“