Vom 5. bis 7. September 2025 war der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt Gastgeberin der Konferenz der Landesfrauenräte (KLFR). Die KLFR vereint die Landesfrauenräte aller Bundesländer und vertritt damit die Stimme von rund 14 Millionen Frauen in Deutschland. Ihr Ziel: Kräfte bündeln, gemeinsame Strategien entwickeln und den frauenpolitischen Anliegen in Politik und Gesellschaft Gewicht verleihen. Weitere Informationen: https://klfr-deutschland.jimdofree.com/  

Ein besonderer Höhepunkt des diesjährigen Konferenzwochenendes war die Fachtagung am Samstag (6. September) im Stadthaus Halle, die unter dem Motto „Gemeinsam laut - solidarisch gegen Antifeminismus“ stand.

Antifeminismus betrifft uns alle

Antifeminismus ist kein zufälliges oder vereinzeltes Phänomen, sondern eine international vernetzte Strategie, die weltweit Demokratie, Gleichstellung und Menschenrechte ins Visier nimmt. Besonders stark betroffen ist die Gleichstellungs-, Geschlechter- und Familienpolitik: ein Politikfeld, das seit Jahren massiv, aber oft unbemerkt unter Beschuss steht.

Besonders alarmierend:  Laut einem Bericht des European Parliamentary Forum on Sexual and Reproductive Rights (EPF) flossen zwischen 2009 und 2018 allein in Europa über 700 Millionen US-Dollar an Anti-Gender-Organisationen, wie Judith Rahner in ihrem Vortrag ausführte. Die jährliche Finanzierung hat sich in diesem Zeitraum vervierfacht – von 22,2 Millionen im Jahr 2009 auf 96 Millionen im Jahr 2018. Das Geld stammt aus drei Hauptrichtungen: den USA (11,5 %), Russland (26,6 %) und vor allem der Europäischen Union selbst (66,9 %). Ein erheblicher Teil der Organisationen ist in Frankreich, Italien, Deutschland, Spanien und Polen aktiv.¹ ²

Diese Zahlen verdeutlichen: Antifeminismus ist kein spontanes Aufbegehren, sondern ein strategisch aufgebautes, milliardenschweres Projekt. In der intensiven Auseinandersetzung zeigen sich die weitreichenden Auswirkungen auf unsere Gesellschaft.

Antifeminismus bezeichnet eine Ideologie und politische Strategie, die sich gezielt gegen Feminismus, Gleichstellung, LGBTQIA+ Personen sowie Themen und Emanzipationsbewegungen richtet. Er ist flexibel, passt sich aktuellen gesellschaftlichen Debatten an und tarnt sich oft als vermeintlich „kritische Stimme“. Sein Kern ist jedoch die Ablehnung von Geschlechtergerechtigkeit, der Widerstand gegen geschlechtliche und sexuelle Selbstbestimmung sowie die Zurückweisung vielfältiger Lebensentwürfe. Das reicht bis hin zur Diskreditierung der Frauen- und Geschlechterforschung und zur offenen Ablehnung der Rechte von LGBTQIA+-Personen.³

Die Bandbreite der Akteur*innen ist erschreckend, denn sie reicht von extrem rechten Organisationen und religiösen Fundamentalist*innen über Männerrechtsbewegungen bis hin zu rechtspopulistischen Parteien, medialen Stimmen und Aktivist*innen in digitalen Netzwerken. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit verbindet sie ein gemeinsames Ziel: Errungenschaften der Gleichstellung zurückzudrängen und heteronormative Geschlechterrollen sowie patriarchale Macht zu bewahren. Antifeminismus agiert dabei als Brückenideologie, indem er Gruppen und Strömungen trotz unterschiedlicher Interessen durch ein gemeinsames Feindbild zusammenführt.³

Damit ist Antifeminismus nicht nur ein ideologisches Projekt, sondern eine reale Gefahr für Gleichstellung und Demokratie. Und das hat Auswirkungen auf unsere Gesellschaft als Ganzes.
Die Fachtagung “Gemeinsam laut - solidarisch gegen Antifeminismus” beschäftigte sich mit der Frage, wie Zivilgesellschaft und Politik dem aktiv etwas entgegensetzen können. Eingeladen dazu waren Vertreter*innen der Landesfrauenräte aller Bundesländer, gleichstellungspolitische Akteur*innen, Wissenschaftler*innen, Beratungsstellen und viele weitere Partner*innen aus Politik und Zivilgesellschaft.

Nach den Grußworten von Sarah Schulze (Landesbeauftragte für Frauen- und Gleichstellungspolitik), Michelle Angeli (Vorsitzende des Landesfrauenrates Sachsen-Anhalt e. V.) und Daniela Suchantke (Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Halle), die den Auftakt der Veranstaltung mit wichtigen Impulsen prägten, folgte ein weiteres Highlight: Moderatorin und Künstlerin Katja Hofmann berührte das Publikum mit ihrem eindrucksvollen Poetry Slam „Herstory“, in dem sie kraftvoll die Perspektiven von und auf Frauen durch Geschichte und Gegenwart sichtbar machte.

Im Anschluss eröffnete Judith Rahner vom Deutschen Frauenrat mit ihrer Keynote „Demokratie im Stresstest?! Antifeminismus erkennen und begegnen“ den fachlichen Teil der Tagung. Sie zeigte auf, wie antifeministische Netzwerke strategisch  agieren, welche Gefahren sie für Demokratie und Gleichstellung bergen und welche Handlungsoptionen die Zivilgesellschaft hat, um diesen Angriffen wirksam zu begegnen.

"Ich möchte dazu aufrufen, wenn wir Frauenhass, -terror und Antifeminismus wahrnehmen und erkennen, dieses auch konkret und deutlich zu benennen. Eine Verharmlosung oder gar Verleugnung des Phänomens verkennt die Dimension von Antifeminismus und macht uns für unsere Handlungsoptionen blind." - Daniela Suchantke (Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Halle/Saale)

Im Anschluss vertieften die Teilnehmer*innen ihr Wissen in vier parallelen Foren:

1. Frauenverbände und Gleichstellungspolitik stärken – Wissen und Strategien zum Umgang mit Antifeminismus mit der Meldestelle Antifeminismus und Projekt ZAFFA
- Inhalt der Arbeit der Meldestelle mit aktuellen Zahlen sowie Austausch zu Prävention, Schutzkonzepten und praxisnahen Umgangsstrategien.

2. (Anti-)Feministen* von morgen?! Methodische Ansätze zum Umgang mit antifeministischen Widerständen von Männern mit Detox Identity
- Diskussion über Ursachen und Attraktivität von Antifeminismus für junge Männer sowie methodische Ansätze zur Bearbeitung

3. Von Dialograum und DemokratTEAtime: Demokratiecoaches in der Praxis mit dem Landesfrauenrat Mecklenburg-Vorpommern
- Einblicke in Ausbildung, Vernetzungsarbeit und praktische Erfahrungen von Coaches im Umgang mit diskriminierenden und demokratiefeindlichen Haltungen.

4. Antifeminismus und die Erosion demokratischer Werte mit dem Deutschen Frauenrat
-  Strategien des Deutschen Frauenrats zur Stärkung feministischer Zivilgesellschaft und demokratischer Resilienz mit intersektionaler Perspektive.

Die Fachtagung fand ihren Abschluss in der gemeinsamen Zusammenführung der Forenergebnisse und einem lebendigen Ausklang bei Gesprächen und Imbiss, der viele Gelegenheiten zum Austausch und zur Vernetzung bot.
Ein besonderes Highlight war die dokumentarische Begleitung des Fachtages durch das Graphic Recording von sandruschka GmbH.

Der Livestream zur Fachtagung weiterhin abgerufen werden unter: https://www.youtube.com/watch?v=pDEf8tFqKRo&t=5049s

Beschlüsse der Delegiertenversammlung

Im Anschluss an den Fachtag tagten die Delegierten der Konferenz der Landesfrauenräte (KLFR). Sie verabschiedeten vier Anträge:

  • Flächendeckende Hebammenversorgung sichern
  • Barrierefreie gynäkologische Versorgung absichern: eine wirtschaftlich auskömmliche Vergütung für niedergelassene Gynäkolog*innen etablieren.
  • Mobilität der Zukunft geschlechtergerecht gestalten und umsetzten
  • Gender Budgeting: Frauen zählen! Für eine geschlechtergerechte Verteilung öffentlicher Mittel

Die vollständigen Beschlüsse sind auf https://klfr-deutschland.jimdofree.com/  nachzulesen.

Zum Abschluss der Konferenz fand die Staffelstabübergabe statt: 2026 wird der Landesfrauenrat Sachsen die KLFR ausrichten.

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 Wir bedanken uns bei unseren Unterstützer*innen und Fördermittelgeber*innen:

  • dem Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend
  • dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt
  • den Vorstandsfrauen des Landesfrauenrates Sachsen-Anhalt
  • der Stadt Halle (Saale) und der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt
  • dem Deutscher Frauenrat
  • der Meldestelle Antifeminismus und dem Projekt ZAFFA
  • den Landesfrauenräten der Länder, insbesondere dem Landesfrauenrat Mecklenburg-Vorpommern e. V. und dem Landesfrauenrat Saarland
  • Detox Identity
  • Sandruschka GmbH
  • Katja Hofmann
  • PINKSTINKS Germany e. V.
  • dem Institut für demokratische Kultur (IdK
  • Das Nest e. V. - Jugend- und Medienzentrum Wettin

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  Judith Fachtag         Daniela Fachtag   

                                                     LFR Gruppenbild   

 

 

Literaturverzeichnis:

¹Datta, N. (2021). Die Spitze des Eisbergs: Religiös-extremistische Geldgeber gegen Menschenrechte auf Sexualität und reproduktive Gesundheit in Europa, 2009–2018. Europäisches Parlamentarisches Forum für sexuelle und reproduktive Rechte (EPF).

²Grischkat, F. (2023). Stellungnahme von Fabian Grischkat zur 40. Sitzung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zum Thema «LGBTIQ – Rechte weltweit» am 24. Mai 2023: Beantwortung der Fragen zu den Themen «Globale Vernetzungen der Anti-Gender-Bewegung» sowie «Sichere Herkunftsstaaten» [Ausschussdrucksache 20(17)61]. Deutscher Bundestag, Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

³Amadeu Antonio Stiftung. (2024). Zivilgesellschaftliches Lagebild Antifeminismus 2023: Dokumentation und Analysen der Meldestelle Antifeminismus (A. Hartmann, H. Beeck, J. Rahner & S. Herberth, Red.). Amadeu Antonio Stiftung.