Der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt begrüßt die Gesetzesinitiative der SPD-Bundestagsfraktion, die Catcalling – also verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum durch anzügliche Bemerkungen, Rufe, Hinterherpfeifen, obszöne Gesten – erstmals unter Strafe stellen will.
Catcalling gehört für viele Frauen* und Mädchen* zum Alltag. Es beeinträchtigt die körperliche und psychische Unversehrtheit, schränkt Bewegungsfreiheit ein, beeinflusst die Wahl der Kleidung und trägt zur Unsicherheit im öffentlichen Raum bei.
Der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt begrüßt, dass die SPD-Bundestagsfraktion mit ihrem Vorstoß die Gesetzeslücke bei verbaler sexueller Belästigung („Catcalling“) schließen möchte. Es ist notwendig, dass die Gesetzgebung wirksame Schutzmechanismen schafft – nicht zuletzt, um die Betroffenen zu stärken und gesellschaftlich deutlich zu machen: Solche Verhaltensweisen sind nicht akzeptabel.
Ein klarer gesetzlicher Rahmen bietet den Betroffenen Rechtssicherheit. Es signalisiert, dass sie nicht mit Catcalling allein bleiben müssen, sondern dass das Verhalten rechtlich geahndet werden wird.
Die Schaffung eines Straftatbestands trägt dazu bei, dass sich gesellschaftliche Einstellungen und Verhaltensmuster verändern. Steigt das Bewusstsein, dass Catcalling nicht bloß „Unhöflichkeit“, sondern eine Form der sexuellen Belästigung
ist, können solche Übergriffe zurück gehen. Es stärkt die Betroffenen, wenn der Gesetzgeber deutlich macht: Nicht die Betroffenen müssen ihr Verhalten ändern, sondern Täter müssen Verantwortung übernehmen. Betroffene werden dadurch ermutigt, Vorfälle zu melden. Fühlen Frauen* und Mädchen* sich sicherer im öffentlichen Raum, hat das Auswirkungen auf ihre Mobilität, ihre soziale Teilhabe, ihre Lebensqualität und ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung in den benannten Lebensbereichen.
Der neue Tatbestand muss so gestaltet sein, dass Catcalling in seinen wesentlichen Formen erfasst wird: unerwünschte verbale sexuelle Belästigung, gezielte, wiederholte oder besonders erniedrigende Handlungen, auch ohne
Körperkontakt. Für "leichtere Fälle" sollte eine niedrigschwelligere regulative Sanktion möglich sein (z. B. Bußgeld), um zwischen weniger schweren und schwerwiegenden Fällen unterscheiden zu können.
Es braucht vereinfachte Anzeigewege, Schutz anonymisierter Meldungen, Unterstützung durch Beratungsstellen, ggf. Opferfonds für Betroffene. Sobald ein Gesetz in Kraft tritt, braucht es ein Monitoring, um zu beobachten wie oft Fälle angezeigt werden, wie die Justiz reagiert, wie die Betroffenenbelastung ist und wie die gesellschaftliche Wahrnehmung sich entwickelt.
Für uns ist aber auch klar, eine Strafbarkeit allein wird das Problem nicht lösen. Sie kann wichtige Signale setzen und gesellschaftliche Veränderungen anstoßen – doch Catcalling ist Ausdruck tief verankerter patriarchaler Strukturen. Es bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, diese Strukturen sichtbar zu machen, zu reflektieren und zu verändern.
Ein zentraler Schlüssel liegt in der Präventionsarbeit - von klein auf. Kinder und Jugendliche müssen frühzeitig in Kitas und Schulen für Gleichberechtigung, Respekt und selbstbestimmte Körperbilder sensibilisiert werden. Rollenklischees
müssen hinterfragt und aufgebrochen werden, damit ein Bewusstsein entsteht, das Respekt und Gleichwertigkeit selbstverständlich macht. Nur wenn wir das Selbstverständnis infrage stellen, mit dem Männer meinen,
Frauen*körper bewerten und kommentieren zu dürfen, kann ein echter gesellschaftlicher Wandel stattfinden – hin zu einem respektvollen, gleichberechtigten Miteinander im öffentlichen Raum, hin zu mehr Gleichberechtigung.
