In der am 18.03.2025 vom Innenministerium veröffentlichten Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2024 offenbart sich erneut ein besorgniserregender Anstieg der Fälle von Partnerschaftsgewalt bzw. Gewalt in engen sozialen Beziehungen in Sachsen-Anhalt. Insgesamt verzeichnet die Statistik 5.720 Betroffene, was einen Anstieg um 115 Fälle gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Dieser Zuwachs von etwa zwei Prozent setzt den alarmierenden Trend der letzten Jahre fort.
Wir verweisen darauf, dass es sich bei den in der PKS abgebildeten Fällen um das sogenannte „Hellfeld“ handelt. Es ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der Betroffenen von partnerschaftlicher Gewalt durch die erhobenen Zahlen nicht abgebildet wird und dem sogenannten „Dunkelfeld“ zuzuordnen ist. Wie schon in den Jahren zuvor sehen sich die Beratungsstellen und Hilfseinrichtungen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2024 mit einem erheblichen Anfragenzuwachs konfrontiert.
17 Tage sind vergangen, seit die Zahlen veröffentlicht wurden – doch eine breite öffentliche Reaktion blieb aus. Wie so oft rückt das Thema schnell in den Hintergrund, aber für die Betroffenen bleibt die Gewalt Alltag. Sie betrifft Frauen und Mädchen jeden Tag. Es braucht kontinuierliche Aufmerksamkeit und konsequentes Handeln, um Schutz und Unterstützung für Betroffene sicherzustellen und langfristig Veränderungen zu bewirken.
Obwohl die geschlechtsspezifischen Daten für 2024 noch ausstehen, zeigen frühere Statistiken, dass Frauen überproportional häufig Opfer von Partnerschaftsgewalt werden. So waren im Jahr 2023 rund 80 Prozent der Betroffenen weiblich. Es ist daher aus fachlicher Sicht anzunehmen, dass dieser Trend auch 2024 anhält. Der Landesfrauenrat wird hierzu Stellung nehmen, sobald die detaillierten Zahlen vorliegen.
Der Landesfrauenrat verurteilt entschieden die weiterhin verbreitete öffentliche Darstellung solcher Delikte als "Beziehungstat", "Eifersuchtstragödie" oder "Familiendrama". Diese Begriffe verharmlosen schwere Gewalt- und Straftaten und implizieren eine Mitschuld der Opfer. Wir stellen klar: Die Schuld liegt ausschließlich bei den Tätern.
Trotz bestehender Hilfsangebote für Opfer häuslicher Gewalt in Sachsen-Anhalt, die im bundesweiten Vergleich positiv hervorzuheben sind, besteht weiterhin erheblicher Handlungsbedarf. Es fehlen spezialisierte Angebote für Kinder, die von Gewalt betroffen sind, eine langfristig gesicherte Finanzierung sowie spezifische Unterstützungsangebote für Frauen und Mädchen mit Behinderung sowie für queere Personen. Um den Zugang zum Hilfesystem für alle Betroffenen sicherzustellen, fordert der Landesfrauenrat die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention. Das neue Gewalthilfegesetz, welches im Dezember 2024 im Bundestag verabschiedet wurde und erstmals bundesweit einheitliche Mindeststandards für Schutz- und Beratungsangebote festlegt, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es kommt nun darauf an, die Umsetzung in Sachsen-Anhalt konsequent voranzutreiben und sicherzustellen, dass alle Betroffenen Zugang zu adäquater Unterstützung erhalten.
Die Pressemitteilung als pdf:
PM_Polizeiliche_Kriminalstatistik_03.04.2025.pdf